Station 8: Murgtäler Hof

Geschichte zum Lesen

Bis der „Murgtäler Hof“ im Jahr 1891 seine Pforten öffnen konnte, waren zuvor mehrere Anläufe notwendig. Als der Langenbrander Bürger Johann Wörner im Jahr 1887 beim Bezirksamt Rastatt die Genehmigung für eine Schankwirtschaft im eigenen Bauernhaus begehrte, bestand in Langenbrand nur ein Gasthaus. Das Gesuch wurde aber wegen Unzulänglichkeit des Hauses und wegen „Fehlen eines ernsten Bedarfs“ zurückgewiesen. Sein Sohn Wilhelm Wörner bedachte wegen zwei Betriebsunfällen auf Berufswechsel und wiederholte 1890 das Wirtschaftsgesuch. Trotz wohlwollender Zustimmung des Gemeinderats und der Unterstützung örtlicher Vereine wurde das handschriftliche, 8-seitige Gesuch von Wilhelm Wörner beim Bezirksamt nicht mit einer Genehmigung bedacht. Auch die Fülle der Begründungen, z. B. viele neue Arbeiter in den neuen Papierfabriken, zahlreiche Holzfuhrwerke kommen aus Württemberg, die Vereine haben keinen Versammlungsraum, kein Tanzsaal besteht, nicht genügend Fremdenzimmer sind vorhanden sowie „es gibt bisher kein Fassbier“ führten keine Genehmigung herbei. Auch auf fehlende Zugtierställe und Wagenabstellfläche hob er ab. Erst ein Karlsruher Rechtsanwalt, der 1890 die vielerlei Begründungen massiv vortrug und darauf verwies, dass es in allen Orten gleicher Größe weitum zwei Wirtschaften gäbe, nur in Langenbrand nicht, hatte mit dem Gesuch Erfolg. Am 27.10.1891 hat das Bezirksamt Rastatt die Eröffnung einer Schankwirtschaft mit Branntweinausschank und Fremdenzimmern genehmigt.

Ausschlaggebend war die günstige Lage des neu errichteten, zweistöckigen Hauses an der Staatsstraße. Mit Platz für die Wagen der Fuhrleute, mit Ställen für Zugtiere und vor allem mit einigen Fremdenzimmern und einem Tanzsaal, zugleich Versammlungsraum für die Vereine. Darauf hatte das Gesuch abgehoben, als bisher gravierender Mangel in Langenbrand. Man könne nicht einmal Brauchtum pflegen in einem Saal, wie Kirchweih und Fasent, geschweige denn einen Tanz abhalten.

Das Gasthaus wurde am 17.11.1891 am Südausgang des Dorfes eröffnet. Der Gastwirt hat mehrere Jahrzehnte seinen Wein selbst ausgebaut. Er holte den frisch gekelterten Traubensaft mit eigenem Fuhrwerk überwiegend in Neuweier. Nach der Heimkehr des mit Maien geschmückten Weintransports wurde immer gefeiert.

Als Wilhelm Wörner 1930 verstarb, führte seine Witwe Barbara bis 1937 die Wirtschaft weiter. Jetzt übernahm die Tochter Emma das Geschäft zusammen mit Ehemann Adolf Gerstner. Erst 1954 wurde ihr auf Wunsch der Geschwister das Anwesen überschrieben. Seit 1957 war die einzige Tochter Renate mit im Geschäft und ihr wurde 1982 das Gasthaus übertragen. Sie führte es erfolgreich mit ihrem leider schon 1988 verstorbenen Ehemann Werner Holm weiter. Im Dezember 1991 wurde das 100-jährige Jubiläum mit der Einwohnerschaft und den treuen Gästen gefeiert. Mit Sohn Michael Holm war die vierte Generation im Familienbetrieb.

130 Jahre lang war der Landgasthof „Murgtäler Hof“ in Langenbrand ein Ort der Begegnung, in dem mehrere Generationen nicht nur zu Familienfesten, Stammtischen und an Feiertagen ausgiebig gegessen, gefeiert und gelacht haben, bevor die Traditionsgaststätte im April 2021 geschlossen wurde.

Interessant ist auch ein Blick auf die bauliche Entwicklung des Hauses. 1891 bestand eine Nutzfläche von 447 qm mit Gastzimmer, Saal, Nebenzimmer, Gästezimmer und Wohnung. 1906 wurde der Saal erstmals erweitert, 1927 nochmals und zusätzlich Garagen gebaut. 1957 wurden Küche und Nebenzimmer erweitert, 1968 die „Murgtalklause“ eingebaut. 1979 war die letzte große Baumaßnahme mit zusätzlichen Fremdenzimmern und Einbau der Kegelbahn, sodass danach 994 qm Nutzfläche zur Verfügung standen.

Weit übers Murgtal hinaus, von Stuttgart über Besenfeld bis Enzklösterle, war der „Murgtäler Hof“ für das Schnurren als Hochburg zur Fasentzeit bekannt. Anfangs der 50er bis in die 70er Jahre hinein hielt diese Tradition an.

„Murgtäler Renate“ wusste auch zu berichten: „Gerade an Fasent war immer viel los. Da wurden das Tropfbier und die Reste im Glas immer in einem Eimer für die Säue gesammelt. Diese bekamen ab und zu mal „ä Schapf in da Troog“. Einmal hätte die Bedienung Else den ganzen Eimer Tropfbier den Säuen gegeben. Als da Vadda (Vater) in den Stall kam, lag eine Sau wie „vareggd“ (verendet), ganz „malaad“ (krank), auf dem Boden. Man hat gleich den Fleischbeschauer geholt. Doch dieser hat nur bestätigt, dass die Sau besoffen sei. Nachdem sie den Rusch (Rausch) ausgeschlafen hatte, ging es ihr wieder „verreleswool“ (munter/gut gelaunt).“

Von ihrer Mutter „Wirts Emm“ überliefert, erzählte Renate Holm, dass früher im Keller ein langer Trog war. Die Fuhrmänner haben regelmäßig bei der Durchfahrt gerastet und ihre Ochsen getränkt. Die Kutscher sind währenddessen in der Gaststube eingekehrt und haben auch ihren Durst gelöscht. Der Fuhrmann wusste vor „Rusch“ nicht mehr, wo es hinging, aber die Ochsen haben den Weg ins „Schwobelond“ immer zuverlässig gefunden.

Renate berichtete: „So wie der Opa Wilhelm den Wein in Neuweier holte und selbst ausgärte, fuhren auch ihre Eltern einmal im Jahr mit einem Fuhrwerk ins Rebland. Der Wein wurde fürs ganze Jahr gekauft, bezahlt wurde im Tausch mit Brennholz. Sie erinnert sich noch gut, dass der Morlock Erwin als kleiner Bub im Keller in den großen Holzfässern drinsaß und diese geschrubbt habe.

Geschichte zum Anhören

Die Geschichte zum Lesen, vertont und mit Bildern hinterlegt.

Bilder zur Geschichte

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